80 neue Thesen zum Reformationstag 2018

und zum Wiederaufbau der Garnisonkirche

  1. 01  Denn durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe und wird der Mensch besser, aber durch Turmbau wird er nicht besser, sondern nur eitler. (nach Lutherthese 44)

  2. 02  Wer glaubt, durch einen Ziegelstein mit Namen seines Heils gewiss sein zu können, wird auf ewig mit seinen Lehrmeistern verdammt werden. (nach Lutherthese 32)

  3. 03  Auf Grund einer Spende das Heil zu erwarten ist eitel, auch wenn der (Ablass-)Kommissar, ja der Bischoff selbst, ihre Seelen dafür verpfändet. (nach Lutherthese 52)

  4. 04  Darum weg mit allen jenen Propheten, die den Christen predigen: "Friede, Friede", und ist doch kein Friede. (Lutherthese 92, original)

  5. 05  Frieden und Versöhnung kann nur von den Opfern, nicht von den Tätern angeboten werden.

  6. 06  Wohl möge es gehen all den Propheten, die den Christen predigen: "Kreuz, Kreuz", und ist

    doch kein Kreuz. (Lutherthese 93, original)

  7. 07  Weder eine goldene Turmhaube, noch ein Kirchturm sind Kreuz, schon gar nicht Nagelkreuz.

  8. 08  Mensch soll die Christen lehren: keine Soldaten auf Krieg einzuschwören, ...

  9. 09  ... und Soldaten „als Pioniere des gekreuzigten Heilands“ ans Schwert zu schicken (wie am 15.07.1900, Pfarrer Johannes Kessler in der Garnisonkirche).

  10. 10  Mensch soll die Christen lehren: keine „Waffen zur völligen Überwindung des Feindes zu segnen“ (GK-Pfarrer Bernhard Rogge am 18.01.1871 zu Ehren der Hohenzollern).

  11. 11  Mensch soll die Christen lehren: keine Fahnen zu weihen und Standarten zu horten (wie am 29.08.1933, am 24.01.1935 ... Fahnenweihen der NSDAP in der Garnisonkirche).

  12. 12  Mensch soll die Christen lehren: keine Kundgebungen mit faschistischen Parteien abzuhalten

    (wie am 24.11.1919, DNVP-Veranstaltungen für Monarchie und Krieg in der Garnisonkirche),

  13. 13  ... und ihnen lehren, nicht gegen die Republik und die Demokratie zu hetzen (wie am 18.01.1921 mit Hofprediger Johannes Vogel in der Garnisonkirche)

  14. 14  ... und ihnen lehren,  nicht ihrer geglaubten Kulturüberlegenheit zu huldigen. (wie am 13.06.1926 bei der Kundgebung des Deutschen Ostbundes in der Garnisonkirche).

  15. 15  ... und den Deutschen lehren, dass sie weder Herrengeist verkörpern noch Herrenrasse sind

    (wie am 10.11.1913 GK-Prediger Walter Richter im Langen Stall).

  16. 16  Weder in Kirchen, Garnisonen oder anderswo sollte die Eroberung neuer Lebensräume gefordert                        werden (wie am 07.05.1927 durch den Bund der Frontsoldaten in der Garnisonkirche).

  17. 17  Weder in Kirchen, Garnisonen oder anderswo sollte die Rückeroberung deutscher Kolonien gefordert werden (wie am 06.08.1928 durch den Bund der Marine-Vereine in der Garnisonkirche).

  18. 18  Weder in Kirchen, Garnisonen oder anderswo sollte ein Großdeutsches Reich, samt Österreich und Sudetengebieten beschworen werden (wie am 22.06.1930 durch die Bismarckjugend der DNVP in der Garnisonkirche).

  1. 19  Weder in Kirchen, Garnisonen oder anderswo sollte die Errichtung eines Führerstaates gefordert werden (wie am 07.05.1927 durch den Bund der Frontsoldaten in der Garnisonkirche).

  2. 20  Wir brauchen keine Kirchen, Garnisonen und andere Orte an denen Faschismus, Militarismus und Krieg verherrlicht werden.

  3. 21  Wir brauchen keine bauliche Wende, um monarchistische und antidemokratische Strukturen erlebbar zu machen (wie es derzeit in der Stadt Potsdam stattfindet).

  4. 22  Wir brauchen keine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad (wie Björn Höcke am 17.01.2017 diese auch in Bezug auf die Garnisonkirche forderte).

  5. 23  Wir brauchen keine Kopie eines Hauses, das die „Geburtsstätte des Dritten Reiches“ symbolisiert. (Die Stadt Potsdam warb zwei Jahrzehnte mit diesem Titel)

  6. 24  Wir brauchen keine Kirche, die als Symbol des preußischen Militarismus und für die Verquickung von Thron und Altar gilt.

  7. 25  Wir brauchen keine Kirche, die als Antithese zum Geist von Weimar und der Demokratie gilt.

  8. 26  Wir brauchen keinen 88 Meter hohen Turm. (88 ist der Code der Rechten für „Heil Hitler“)

  9. 27  Wir brauchen der Stadt Potsdam kein „Wahrzeichen“ wieder zu geben.

  10. 28  Wir brauchen in Potsdam nicht die Wiedererrichtung einer „gotteslästernden Bude“.

  11. 29  Wir wünschen „... auf dass ER erscheine denen, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes“ der Militärkirchen. (nach Lukas-Evangelium Lk 1,79)

  12. 30  Wir wünschen, dass sie selbstständig ihre „Füße auf den Weg des Friedens“ richten und nicht auf den der weiteren Konfrontation. (nach Lukas-Evangelium Lk 1,79)

  13. 31  Christen sollen „dem Geist der Gewalt widerstehen und für den Frieden einstehen.“ (Rat der Evangelischen Kirche Deutschland anlässlich des 100. Jahrestages des Beginns des 1. Weltkrieges)

  14. 32  Deutsche Protestanten sollten nicht vergessen, dass die große Mehrheit ihrer in zwei Weltkriegen versagt hat, ...

  15. 33  ... und diese Schuld sollte sie mit tiefer Scham bis heute erfüllen. (Rat der Evangelischen Kirche Deutschland anlässlich des 100. Jahrestages des Beginns des 1. Weltkrieges)

  16. 34  Der „Ruf aus Potsdam“ von 2004 ist ein Ruf aus falscher Opferrolle und Geschichtsvergessenheit.                    

  17. 35  Die „Nacht von Potsdam“ (14.04.1945) ist die Folge des „Tags von Potsdam“ (21.03.1933).

  18. 36  Versöhnung entsteht nicht im Konflikt mit der Stadtgesellschaft.

  19. 37  Wer den Aufbau als Rache auf den Abriss betreibt, ist voller Gift, statt Segen.

  20. 38  Wer die Sprengung von 1968 heilen will, sollte die Heilig-Kreuz-Kirche aufbauen und nicht die belastete Kirche, von der sich selbst die evangelische Kirche durch Umbenennung distanzierte.

  21. 39  Wer den Abriss des Turms als Verbrechen bezeichnet, sollte keinen Abriss des Kunst- und Kreativhauses fordern.

  22. 40  Der falsche Turmbau schafft nicht nur eine Kopie zur Verherrlichung der Vergangenheit, sondern Kitsch für die Gegenwart und eine mögliche rechte Kultstätte für die Zukunft.

  1. 41  Wer Geschichte erinnern, Verantwortung lernen, Versöhnung leben will, muss dies auch leben.

  2. 42  Wer Geschichte erinnern will, darf keine Geschichtsepochen aussparen.

  3. 43  Wer Verantwortung lernen will, muss sich seiner Verantwortung stellen.

  4. 44  Wer Versöhnung leben will, muss sich diese verdienen.

  5. 45  Wer eine Kultur des Friedens bauen will, muss Grenzen – auch Glaubensgrenzen - überwinden und nicht Mauern errichten.

  6. 46  Wer eine Kultur des Dialogs will, muss dazu einladen, zuhören können und lernen wollen.

  7. 47  „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und

    weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ (Grundgesetz Art.4 Abs.1)

  8. 48  Religionsfreiheit verbietet dem Staat, den Bürger zu einer religiösen oder weltanschaulichen

    Handlung zu verpflichten.

  9. 49  Die Trennung von Kirche und Staat sollte deshalb allumfassend sein.

  10. 50  Die Errichtung von Kirchenkopien stellt keine Handlung von nationaler Bedeutung dar.

  11. 51  Christliche Kirchen sollten ausschließlich durch Christen und Spenden finanziert werden.

  12. 52  Eine neue christliche Kirche sollte nicht mehrheitlich durch öffentliche Gelder erbaut werden.

  13. 53  Eine neue Kirche sollte nicht mit Mitteln der Denkmalpflege gebaut werden.

  14. 54  Eine neue Kirche sollte nicht mit Geldern aus Glücksspiel (Lottomittel) gebaut werden.

  15. 55  Eine Kirche des Friedens sollte nicht durch finanzielle Mittel der Militärseelsorge gesponsert werden.

  16. 56  Eine Kirche des Friedens sollte nicht durch Kirchenkredite errichtet werden, wenn die Kirchen der Region in nahezu gleicher Höhe durch Spenden von Rechtskonservativen unterstützt werden.

  17. 57  Wer es nicht schafft, in über zehn Jahren, zehn Millionen Euro für ein derartiges Vorhaben zu sammeln, sollte sich fragen, für wen und was er sammelt.

  18. 58  Durch den Bau von Kirchen sollten weder Kunst vernichtet, noch Denkmäler zerstört werden.

  19. 59  Jede barocke Kopie vernichtet den Wert der echten Denkmäler und mindert die Notwendigkeit deren Erhaltung.

  20. 60  Die Initiative zum Wideraufbau kam aus rechtskonservativen, militaristischen Kreisen und wurde durch das falsche Agieren der Kirche legitimiert.

  21. 61  Wir brauchen keinen Ort, an dem Treue, Redlichkeit und Kadavergehorsam per Glockenschlag eingefordert werden.

  22. 62  Wir brauchen keinen Ort, an dem der Legende vom „ewigen Juden“ und dem Antisemitismus viertelstündlich per Glockenklang gehuldigt werden.

  23. 63  Wir brauchen keinen Ort an dem Gedenkpolitik privatisiert wird.

  24. 64  Wir brauchen kein „nationales“ Vorhaben, welches nach Kirchenrecht und ohne gesellschaftliche Mitsprache umgesetzt wird

  25. 65  Wir brauchen keinen Kitsch, der weder dem Ort noch seiner Geschichte gerecht wird. 

  1. 66  Mit dem Bau einer Turmkopie wird der Ort der Gesellschaft – speziell dem nichtchristlichen Teil dieser  – als Gedenkort entzogen.

  2. 67  Wir brauchen keinen Aussichtsturm an diesem Ort, sondern einen echten Ort des Gedenkens und der Erinnerung.

  3. 68  Wir brauchen einen gedanklichen und baulichen Bruch mit der Geschichte.

  4. 69  Geschichte erinnern bedeutet nicht, diese zu kopieren.

  5. 70  Geschichte kann nicht bereinigt werden; auch nicht durch die Instrumentalisierung des 20.Juli 1944 (wie auch Martin Sabrow feststellte).

  6. 71  Versöhnung kann nicht verordnet werden.

  7. 72  Wir denken, dass alle Kirchen der Stadt auf ihre eigene Art Versöhnungsarbeit leisten,

  8. 73  ... und wird durch den Bau eines „Versöhnungstempels“ diese Arbeit nicht diffamiert und entwertet?

  9. 74  Für eine ernsthafte Versöhnungsarbeit sind eine wissenschaftliche Konzeption, Geld und Personal notwendig, aber nicht vorhanden.

  10. 75  Die bisherigen Versöhnungsansätze dienen der Versöhnung mit der eigenen Geschichte, aber nicht deren Aufarbeitung.

  11. 76  Wenn die Versöhnungsarbeit im Vordergrund stehen würde, müsste die Form des Baus dem Inhalt folgen und nicht wie geplant, in den Turm gezwängt werden.

  12. 77  „Man soll die Christen ermutigen, dass sie ihrem Haupt Christus durch Strafen, Tod und Hölle nachzufolgen trachten  ...

  13. 78  ... und dass sie lieber darauf trauen, durch viele Trübsale ins Himmelreich einzugehen, als sich in falscher geistlicher Sicherheit zu beruhigen.“ (Lutherthesen 94 und 95, original)

  14. 79  Wer für Gott Türme in den Himmel baut, hat christlichen Glauben missverstanden.

  15. 80  Lasst uns ein Haus der Geschichte, Mahnung und Erinnerung bauen – ohne Turm!

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